Ulrich F. Zwygart

Neustart – gut geplant?

Neustarts sind Wendepunkte, vergleichbar mit Wegweisern an Kreuzungen, welche Richtungen vorgeben. Innehalten, überprüfen, vorsorgen sollten der Entscheidung vorangehen. Jeder Neustart ist individuell. Es gibt verschiedene Neustarts, unter anderem die folgenden:

Neustart in der Partnerschaft: Wer macht für mich den Check, ob ich diesmal Mr./Mrs. Right gefunden habe oder den/die Fehler der Vergangenheit wiederhole? (Das „wer“ ist deshalb begründet, weil wir in der Phase des Verliebtseins diese Frage nicht stellen oder von niemandem Antworten darauf erhalten möchten!?)

Neustart im Job: Ich habe 90 Tage, um mich mit der Kultur der neuen Firma vertraut zu machen. Passt mir das Klima, und heissen mich die alteingesessenen Mitarbeiter willkommen?

Neustart eines Arbeitskollegen: Wie haben wir die Probezeit geplant? Wie wird die neue Kollegin eingearbeitet? Welche Feedbacks gibt es? Wer wird für die (Zwischen-)Beurteilungen beigezogen? Welche Kriterien sind ausschlaggebend? Wer kommuniziert und wie?

Neustart als Chef: Habe ich den richtigen Plan, um mir ein Bild der Unternehmung zu machen und die wichtigen Mitarbeiter kennenzulernen? Genügen die ersten 100 Tage für dieses Vorhaben oder brauche ich länger Zeit? Wann beginne ich, Einfluss zu nehmen?

Neustart eines Projekts: Haben wir die Fehler und Unzulänglichkeiten des letzten Projekts aufgearbeitet und die Konsequenzen gezogen? Haben wir uns im Rahmen des pre mortem mit den Punkten, die schiefgehen können, auseinandergesetzt? Welche Ziele und Meilensteine haben wir vereinbart?

Neustart einer eigenen Firma (Start Up): Ist der Business Plan von Dritten verifiziert? Sind die finanziellen und personellen Ressourcen bereitgestellt? Wann wird der Business Plan mit Bezug auf die Zielerreichung überprüft? Mit Hilfe welcher Parameter und zu welchem Zeitpunkt entscheidet wer über «stop», «weiter wie bis anhin» oder «weiter, aber anders»? Wann werden Organisation, Führung und Corporate Governance des Start Up in eine «ordentliche Firmenstruktur» überführt?

Ulrich F. Zwygart

Partnerschaften – zwei und mehr sind besser als einer allein

Einige glauben heute noch, Innovation entstünde dort, wo Genies in der Einsamkeit auf die zündende Idee oder den so genannten Durchbruch hinarbeiteten. In der Kunst, insbesondere der Malerei, der Musik und der schreibenden Zunft, mag das vordergründig zutreffen, nicht zuletzt weil es um Urheberschaft geht: Wer etwas gezeichnet, komponiert oder gedichtet hat, kann auf Geld und Ruhm hoffen. Doch auch Künstler lernen von anderen Kollegen, lassen sich inspirieren, folgen einem Trend oder produzieren Dinge, die einem Original ähneln. – Heute wissen wir, dass Zusammenarbeit und Wissensaustausch zwischen Individuen und Organisationen rascher zu besseren Resultaten führen. Das Internet, die digitalisierte Welt, ermöglicht den zeitverzugslosen Ideentransfer von Kontinent zu Kontinent. Medizinische Heilmittel oder technologische Fortschritte sind durch intensive Kooperationen in kürzerer Zeit möglich als noch vor wenigen Jahren. Crowdsourcing und Crowdfunding haben bewiesen, dass die Weisheit der Menge nicht zufällig ist, sondern auf der Partnerschaft unzähliger Menschen aus vielen Ländern und Kulturen beruht. – Zwei sind effizienter als einer und mehrere sind innovationsfreudiger als zwei. In Partnerschaften und Kooperationen liegen der Ursprung von neuen Ideen, kreativen Ansätzen und unerwarteten Optionen. Gemeinsam zum Ziel, zu neuen Ufern und zu Innovationen, die unsere Wirtschaft braucht, um weiterhin Spitzentechnologie und exportfähige Produkte herzustellen. Eine innovative Wirtschaft ist eine der bestimmenden Faktoren für unseren hohen Lebensstandard, nicht einengende bürokratische Vorschriften und eine hohe Staatsquote. Die Partnerschaft bzw. das Zusammenwirken zwischen gesundem Staatswesen, dualem Ausbildungssystem und guten Führungskräften bildet die Voraussetzung für innovative Unternehmen, die neue Arbeitsplätze in der Schweiz schaffen und zum Wohle aller beitragen.

Ulrich F. Zwygart

Burnout – muss nicht sein

Burnout ist eine psychische Erkrankung, hervorgerufen durch ein Übermass an Stress. Ungefähr jeder Dritte leidet unter Stress, und die Zahl der aufgrund eines Burnouts ausfallenden Mitarbeiter ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Immer mehr Arbeitnehmer fühlen sich überfordert, leiden unter wiederkehrenden Angstgefühlen, mangelnder Wertschätzung, dem Gefühl, ausgeliefert zu sein und die Kontrolle zu verlieren. Burnout ist eine moderne Seuche, die nicht als «Krankheit der Schwachen» belächelt werden darf, sondern Ernst zu nehmen ist. Was können wir tun? – Erstens geht es um die Unternehmenskultur, das Arbeitsklima. Chefs müssen sich folgende Fragen stellen: Werden unsere Mitarbeitenden mit Anstand behandelt? Können sie sich bei Konflikten an ihre Vorgesetzten oder an eine unabhängige Stelle im Personalwesen wenden? Werden ihre Anliegen Ernst genommen? Arbeiten Menschen gerne bei uns? Haben wir günstige Arbeitsbedingungen geschaffen? Damit mich die Leser richtig verstehen: Unternehmen müssen Gewinne erzielen und Leistungen von Mitarbeitenden einfordern. Führung heisst «Ziele mit Menschen erreichen“. Es geht also nicht ohne Mitarbeitende; sie sind so zu führen, dass sie leisten können und nicht krankheitshalber ausfallen. Gesunde, arbeitsfähige und –willige Arbeitnehmer sind im Interesse der Firma. Zweitens ist jeder Mensch gegenüber sich selber und seinem privaten und beruflichen Umfeld verantwortlich. Damit sind abwechslungsreiche Ernährung, Bewegung, sieben Stunden Schlaf pro Tag und Pflege der sozialen Kontakte angesprochen. Gefordert sind persönliche Planung und Selbstdisziplin. Ja, Disziplin: Zu sich selber Sorge tragen («ich bin es wert, dass ich Gutes für mich tue»), im Umgang mit Drogen, zum Beispiel mit Alkohol oder Medikamenten, verantwortungsbewusst handeln, auch «nein» sagen, wenn die (Arbeits-)Last zu gross wird. Fazit: Der Arbeitgeber und das Individuum sorgen für gesunde Rahmenbedingungen und tragen präventiv dazu bei, Burnouts zu vermeiden.

Ulrich F. Zwygart

Commitment – Ausdruck der Verantwortung oder blosse Absichtserklärung?

«Sie war sehr committed» oder «er fühlte sich bei dieser Aufgabe nicht committed» sind Sätze, die ich öfters höre. Wieso, frage ich mich, wird das persönliche Commitment so betont? Was bewirkt es, committed oder nicht committed zu sein? – Commitment ist ein Wort aus der englischen Sprache und bedeutet Verpflichtung, Bindung, aber auch Zusage und Einsatz. Während die beiden erst genannten Begriffe ein verantwortliches Handeln beinhalten, bedeuten die anderen nur eine Bereitschaft, ein Signal zum Engagement. Zwischen der Pflicht gegenüber einer Organisation oder einem anderen Menschen und der Aussage, man sei bereit für etwas oder werde sich engagieren, sind Welten. In der einen Welt steht eine Person für eigenes Handeln gerade, sie ist verantwortlich, weil sie sich verpflichtet hat. In der anderen Welt erteilt man erst die Zusage, sich zu engagieren; von Pflicht und Verantwortung ist (noch) nicht die Rede. – Wer in einer Führungsposition ist, kann sich nicht nicht committen. Als Führungskraft steht jede Person in der Verantwortung für Ziele, Resultate und Leistungen und gleichzeitig für die ihr anvertrauten Menschen. Sie ist kraft ihrer Funktion verpflichtet, Ziele mit anderen Menschen zu erreichen. Das Commitment ist darin enthalten. Sie braucht es nicht zu erwähnen, kann sich aber auch nicht aus der Verantwortung stehlen. – Könnte es sein, dass das Commitment ein Begriff aus unserer individualistisch und anglo-amerikanisch geprägten Gesellschaft und Wirtschaft ist? Fühlt Mann oder Frau sich erst dann verpflichtet, wenn es ihm oder ihr passt, weil ein persönlicher Vorteil verbunden ist? Leben wir in einer Welt, in der sich der Einzelne zuerst committen muss, bevor er handelt? – Jedes Arbeitsverhältnis, jede Führungsposition, jeder Vertrag (bereits der Handschlag) beinhalten eine Verpflichtung, die über das Individuelle hinausgeht und ein Commitment einschliesst: Das Individuum steht in der Pflicht, eine Leistung zu erbringen; im Gegenzug erhält es ein Salär, eine Dienstleistung oder eine Ware. In der Verantwortung steckt die Verpflichtung für das «wir» und die Rechenschaftspflicht für den Fall des Scheiterns.

Ulrich F. Zwygart

Integrität in Unternehmungen

Das lateinische Wort «integritas» steht für «unversehrt», «intakt», «vollständig». Im unternehmerischen Kontext ist ein Mensch integer, wenn er oder sie unbestechlich gegenüber Verlockungen ist, treu zu den Werten der Firma steht und tut, was er sagt. Eine integre Person ist das Gegenteil einer korrumpierbaren, nur dem eigenen Vorteil verpflichteten, unberechenbaren und unzuverlässigen Person. Integrität ist für alle Mitarbeiter einer Unternehmung wichtig. Die massgebenden Werte sind immer wieder zu kommunizieren und vorzuleben. Die Forderung, sich jederzeit integer zu verhalten, gilt primär für die Führungskräfte. Ihr Beispiel ist ein entscheidender Faktor für die Glaubwürdigkeit und den Vorbildcharakter der Unternehmensführung. Je höher eine Führungskraft in der Hierarchie steht, desto grösser ist ihr Einfluss: Erstens auf die Kultur (Wie geht man miteinander um? Wie steht es mit der Fehlerkultur?), und zweitens auf die Reputation (Welchen Ruf geniesst die Unternehmung in der Gesellschaft? Ist sie kreditwürdig?). Integer ist eine Führungskraft, wenn sie sich über eine längere Zeit den Ruf einer vertrauenswürdigen Person erarbeitet hat; sie hat sich sowohl im Alltag als auch in Krisen für mittel- und langfristige Unternehmensziele eingesetzt und sich gegenüber den Mitarbeitern und Dritten glaubwürdig verhalten. Das ist einfacher gesagt als getan, über Integrität lässt sich leicht schreiben. Schwierig ist die Umsetzung in die Praxis, Tag für Tag, in unterschiedlichen Konstellationen und mit wechselnden Herausforderungen. Hierzu braucht es innere Kraft, Durchhaltevermögen und Verantwortungsbewusstsein. Dabei ist hervorzuheben, dass nicht das Verfehlen von Unternehmenszielen zum Verlust der Integrität führt, sondern ausnahmslos menschliches Fehlverhalten: Eine Lüge wider besseren Wissens, der Mobbing-Vorwurf von drei Angestellten, manipulierte Spesen oder sonstige widerrechtliche Vorteile genügen, um die Integrität einer Führungskraft zu diskreditieren. Monate- oder jahrelang hatte ein Chef den Ruf einer integren Führungsperson. Nun, quasi mit einem Schlag, verliert er oder sie das Vertrauen der Mitarbeiter und vielleicht gleichzeitig die Glaubwürdigkeit in den Augen einer breiteren Öffentlichkeit. Wie gewonnen, so zerronnen. Integrität ist ein zentraler KPI, der sich schwerlich in eindeutigen Zahlen messen lässt, dessen rasch sinkender Wert aber die Unternehmung nachhaltig schädigt.

Ulrich F. Zwygart

Leadership Kurse – sinnvoll oder sinnlos?

Gene und Umwelt bestimmen den Charakter, welcher einen massgeblichen Anteil an den Führungseigenschaften eines Menschen hat. Die Experten sind sich nicht einig: Entweder steht die Persönlichkeitsstruktur einer Person zu 50% oder zu 75% nach Erreichen des Erwachsenenalters fest. Immerhin können wir davon ausgehen, dass der Charakter eines Menschen nach dem 20., spätestens dem 25. Altersjahr zur Hälfte gegeben ist und sich im weiteren Verlauf des Lebens nicht mehr stark ändern wird. Wie schwer es ist, sich zu ändern, stellen wir fest, wenn wir uns Neujahrsvorsätze vornehmen, die bereits nach einigen Wochen Worthülsen geworden sind. – Bedeutet das auch, dass es sinnlos ist, Mitarbeiter zu Führungskräften auszubilden oder Chefs in Leadership Seminaren weiter zu entwickeln? Die Antwort muss differenziert ausfallen: Einerseits ist es aussichtslos, eine Person an eine renommierte Universität zu schicken, mit dem Ziel, sie zu einer Führungspersönlichkeit zu entwickeln. Kein Kurs der Welt vermag Persönlichkeiten zu ändern oder nach einem bestimmten Vorbild zu formen. Andererseits ist der Mensch ein Leben lang lern- und entwicklungsfähig: Als 50-Jährige sind wir nicht mehr ganz dieselben wie mit 25 Jahren; täglich sind wir Einflüssen ausgesetzt, die oft unbewusst in unseren Erfahrungsschatz einfliessen; zudem handeln wir, sind erfolgreich, machen Fehler und können daraus lernen – sofern wir es zulassen. Einiges im Management ist Handwerk, das heisst es gibt Prozesse, Werkzeuge und Verhalten, die lernbar sind, wie beispielsweise der Prozess der Entscheidungsfindung, die Leitung eines Meetings, eine Rede halten oder ein Mitarbeitergespräch führen. – Die Entwicklung von Führungskräften ist also grundsätzlich möglich, aber an Voraussetzungen geknüpft: Der Lernwille ist vorhanden, die Lernziele sind realistisch und werden von der Unternehmung begleitet, unterstützt und am Erfolg bzw. Misserfolg im Berufsalltag gemessen.

Ulrich F. Zwygart

Stressreduktion dank e-Mail-Regel

Vor einigen Tagen beklagte die Polizei eine Zunahme von Unfällen, weil Fussgänger mit ihren mobilen Telefonen beschäftigt waren und nicht auf den Verkehr achteten. Kürzlich beobachtete ich einen Mann, der beim Mittagessen mit Kolleginnen abwechselnd mit Handy und Laptop beschäftigt war; phasenweise ass er (wobei der Kellner die Hälfte der Speisen wieder abräumen musste) und gelegentlich warf er einige Wortfetzen in die Konversation. Offenbar ist die dauernde Erreichbarkeit und die sofortige Beantwortung ein Teil der heutigen Kultur. Die jüngere Generation pflegt auf diese Weise ihre sozialen Beziehungen. Dasselbe gilt auch für den beruflichen Alltag. Hier verursacht dieselbe Kultur Einbussen in der Konzentrations- und der Leistungsfähigkeit und individuellen Stress. Ich empfehle deshalb für einmal eine zusätzliche Regel, um damit Hektik und Überforderung im Geschäft zu vermindern. Damit meine ich einige einfache, klare Weisungen, welche den Umgang mit e-Mails und SMS betreffen und vom Topmanagement vorgegeben werden: 1. Respekt und Anstand gelten auch im Mailverkehr. 2. Das persönliche Gespräch (Skype oder Telekonferenz) hat gegenüber Mails den Vorzug. 3. Stellvertretung regeln, damit in den Ferien nur 1x/Tag zu einer bestimmten Zeit das Mobiltelefon einzuschalten ist. 4. Antworten auf Mails/SMS innert 24-48 Stunden. 5. Keine Meldungen nach 20 Uhr und an Wochenenden (ausser in Notfällen). 6. cc-Mails entweder löschen oder in einen entsprechenden Ordner überführen. 7. Werden durch eine Meldung Emotionen ausgelöst, dann darüber schlafen und die Antwort erst am nächsten Tag verschicken. 8. Während Meetings bleibt das Mobiltelefon ausgeschaltet. Grundsätzlich gibt es in vielen Organisationen zu viele Regeln. Diese hier hat aber auf einer Seite A4 Platz und vereinfacht den Alltag jedes Einzelnen. Und wenn die Regel von den Mitgliedern der Geschäftsleitung gelebt wird, kann sie zur Stressreduktion am Arbeitsplatz und zu mehr Innovation führen.

Ulrich F. Zwygart

Quoten für Frauen – und für wen noch?

Der Ruf nach einer Quotenregelung für Frauen in den Verwaltungsräten börsenkotierter Unternehmungen wird lauter. Bundesrätin Sommaruga will eine entsprechende Gesetzesregelung im revidierten Aktienrecht. Die Zahlen sind klar, die Frauen sind in diesen Gremien untervertreten. Auch sonst spricht einiges für eine grössere Zahl von weiblichen Mitgliedern in den Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten von grösseren Unternehmungen: Frauen bringen nicht nur einen anderen Erfahrungshintergrund mit, sondern auch eher ein s-Machtstreben als ihre männlichen Kollegen. Das „s“ steht für sozial und bedeutet, dass Frauen bei Entscheidungen mehr auf die Wirkung für die Unternehmung und die Allgemeinheit achten als Testosteron-getriebene Männer mit ihrer Neigung für persönliche Vorteile aufgrund ihres p-Machtstrebens. Diversität dient der Verschiedenartigkeit von Meinungen in wichtigen Gremien. Probleme sollen von vielen Seiten und Erfahrungen her analysiert werden, mit dem Ziel, die bestmögliche Entscheidung zu treffen. Die Angehörigen der Generation Y (Jahrgänge ab 1980) haben grundsätzlich andere Prioritäten und Stärken als die Generation X (1965-80) oder die Baby Boomers (Nachkriegsgeneration). Manager, die in Frankreich sozialisiert worden sind, haben ein anderes Verständnis von Führung als ihre Alterskollegen in Nord- oder Zentraleuropa. Die Chinesin aus Schanghai bringt eine andere Kultur mit in die Unternehmung als ihre Schweizer Alterskollegin. Ältere Menschen können aufgrund ihrer Lebens- und Führungserfahrung mit Komplexität besser umgehen als jüngere Kollegen. Aus all diesen wissenschaftlich belegbaren Erkenntnissen ergibt sich ein Schluss: Diversität in wichtigen Entscheidungsgremien bedeutet mehr Frauen und mehr Menschen aus verschiedenen Altersgruppen und Kulturen, insbesondere wenn die Unternehmung international tätig ist. Und für die geplante Revision des Aktienrechts bedeutet das: Entweder eine Quote für alle Gruppen oder für keine.

Ulrich F. Zwygart

Strategien für VEP

Kürzlich wurde in der Schweiz Alarm geschlagen, weil in den nächsten Jahren tausende VEP (very experienced persons), das sind erfahrene Führungs- und Fachkräfte, fehlen werden. Tatsächlich wird die Generation Baby Boomer, die Jahrgänge 1945 – 65, in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren aus dem Arbeitsleben ausscheiden, sofern Unternehmungen und die öffentliche Verwaltung dabei bleiben, dass spätestens mit 65 Jahren Schluss ist. Viele Organisationen kennen sogar ein früheres Pensionsalter oder trennen sich von 55- oder von 58-Jährigen. Irgendwie geht die Rechnung nicht auf: Einerseits wird vorgerechnet, dass bald die AHV gekürzt werden muss, wenn das Alter der Bezugsberechtigten nicht erhöht wird; zudem ändern Pensionskassen laufend die Bedingungen zu Ungunsten der Angestellten; andererseits wird lamentiert, es fehlten erfahrene Arbeitskräfte. Gleichzeitig wird die Bevölkerung immer älter. – Welche Organisation hat eine Strategie für den Umgang mit VEP? Ich kenne keine. Hier einige Ideen, die Teil einer auf die Organisation angepassten Strategie sein können: Schrittweise Herabsetzung der Arbeitszeit: während zwei Jahren 80%, dann für weitere drei Jahre 50% in einer neuen Funktion, beispielsweise als Projektleiter, Chef eines Forschungsteams, Standortleiter oder Ausbilder; Bildung eines Pools von Beratern und Coachs; Übernahme von Stellvertretungen bei Ferien- oder anderen Abwesenheiten. Nicht jeder Baby Boomer eignet sich oder ist willens, sich in fortgeschrittenem Alter weiterhin für den Arbeitgeber zu engagieren. Verfügt eine Organisation aber über eine VEP-Strategie und eine entsprechende Angebotspalette, wird es auch Interessierte geben. Und so wäre vielen gedient: Die Unternehmung könnte Wissensverlust und Pensionskassenengpässe vermindern und Kosten für externe Berater sparen, und der Einzelne bliebe weiterhin geistig gefordert, eine wichtige Voraussetzung für Gesundheit im Alter.